KARRIERE INTERNATIONAL |
[ 08.07.2003 ] | "Under cover" in
Thailand
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Findige Köpfe haben immer Konjunktur - dachte
Textprofi Wolfgang Merkert: Der 51-jährige Journalist
"sourcte" sich kurzer Hand selbst nach Thailand aus, und
macht nun deutschen Anbietern Konkurrenz aus Fernost.
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"Ihr Produkt wird schon zum Teil in Malaysia
oder Malta gefertigt? Sie lassen ihre Software bereits
in Israel oder Ungarn programmieren? Gut! - Und
preiswert! Ihre PR-Artikel werden noch in Deutschland
geschrieben? Auch gut! - Aber teuer! Deutsche
Profi-Journalisten in Südostasien bearbeiten und
formulieren Ihre Rohtexte zu druckfertigen Beiträgen.
Kompetent - individuell - zeilengenau. Und konkurrenzlos
billig!"
Gegen den Strom
So stand
die Anzeige in einer Journalistenfachzeitschrift in
Deutschland. Und, wie man sich unschwer vorstellen kann,
wurden die Urheber überhäuft mit Schmäh-Mails aus dem
"teuren Pflaster Deutschland". In der Tat sind die
Sätze, zu denen die Journalisten aus Thailand ihre
Dienste anbieten, für die meisten deutschen Kollegen
nicht zu halten: eine Zeitungszeile texten die Kollegen
dort für 30 Cent, für die Arbeitsstunde berechnen sie 15
Euro. Kunden sind Redaktionen, Agenturen und Unternehmen
aus Deutschland, die preisgünstig produzieren lassen
wollen.
"Die im Vergleich zu Deutschland extrem
niedrigen Lebenshaltungs- und Arbeitskosten erlauben es
mir, das bestehende Preisniveau in Deutschland zu
unterbieten", behauptet Wolfgang Merkert, der Sprecher
der Gruppe "European Asian Business Network", die sich
vor sechs Jahren gegründet hatte, und die hinter der
Anzeige stehen. Kleine Einschränkung: Die Honorare
gelten nur für Texte, für die keine telefonische
Recherche notwendig ist - also vor allem PR-Texte,
Fachbeiträge, Kommentare, Editorials,
Pressemitteilungen, Geschäftsberichte und Reden.
Vom PR-Chef zum freien Texter
"Mit unserem Konzept scheinen wir spezielle
Bedürfnisse vieler deutscher Redaktionen und Agenturen
auf den Kopf getroffen zu haben", lobt sich der Mann in
Thailand, der vor langen Jahren als leitender Redakteur
bei der Computerwoche und den inzwischen nicht mehr
existierenden Magazinen "Industriemagazin" und "Top
Business" sowie als Leiter der Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit bei der BMW-Tochter Softlab tätig
war. Aus dieser Zeit stammen auch 90 Prozent seiner
Auftraggeber, denn als Merkert seine gutdotierte
Position kündigte, um auszuwandern und das
Workaholic-Leben hinter sich zu lassen, traf dies seinen
Arbeitgeber unvorbereitet. Dieser schickte ihm
"dringende Aufträge", für die sich so schnell kein
anderer Mitarbeiter fand, per E-Mail hinterher.
Als sein ehemaliger Boss merkte, dass Merkert
seine Arbeit auf der anderen Seite des Erdballs genauso
perfekt bearbeitete wie im Heimatland, wurden aus den
Eilanfragen regelmäßige Aufträge; Merkert war ob des
Zusatzeinkommens ebenfalls zufrieden und ließ seine
Kontakte spielen. Nach und nach schuf er ein Netzwerk,
das ihn mit mehr Aufträgen eindeckte, als er selbst
erledigen konnte. Die Idee für das Journalisten-Netzwerk
in Thailand war geboren.
Keine Werbung für
die Billig-Texter
"Das Outsourcing ist in
vollem Gange", berichtet Merkert. Genau wie seine
Kollegen arbeitet der Billig-Texter undercover. Auch
Merkerts Kunden legen großen Wert darauf, dass niemand
erfährt, in welchem Schreibzimmer ihre Texte bearbeitet
wurden - und so findet sich zu Merkerts Bedauern kein
Auftraggeber bereit, auf seiner Homepage als
Referenzkunde genannt zu werden.
Flexibel und
undercover gestalten sich denn auch die
Vertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Thailand,
wobei es im Journalismus nicht unüblich ist,
Arbeitsverhältnisse auf "Zuruf" abzuschließen.
Schließlich kann nicht für jeden Zweispalter ein
schriftlicher Vertrag mit drei unterschriebenen Kopien
angelegt werden. Die Billigpreise führten in jüngster
Zeit übrigens zu einer bizarren Entwicklung: Die freien
Journalisten in Deutschland, die die Billig-Konkurrenz
zuerst in üblen Tönen beschimpften, gehören mittlerweile
gleichfalls zu den Abnehmern der Texter aus Asien.
Selbst Kritiker nutzen die fernöstliche
Konkurrenz
"Die kloppen ihre Recherchen
stichwortartig in den PC und lassen sich ihre Stories
dann wunschgemäß im Tageszeitungs- oder Magazinstil von
uns umschreiben, zum Teil sogar in verschiedenen
Fassungen, um die Geschichte mit jeweils anderem Ansatz
und Aufbau mehrfach unterzubringen", tönt es aus
Thailand. Auch freie Journalisten in Deutschland müssen
eben kostengünstiger denn je arbeiten, um sich über
Wasser zu halten.
PS: Dieser Text wurde
nachweislich in Deutschland produziert.
(Dirk Engelhardt)
Weitere Informationen im WWW:
European Asian Business Network
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